D. A. Werning: Das Höhlenbuch

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Titel
Das Höhlenbuch. Textkritische Edition und Textgrammatik


Autor(en)
Werning, Daniel A.
Reihe
Göttinger Orientforschungen: IV. Reihe, Ägypten 48
Erschienen
Wiesbaden 2011: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
903 S.
Preis
URL
von
Stefan Bojowald, Abteilung für Ägyptologie, Institut für Archäologie und Kulturanthropologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Im Mittelpunkt der folgenden Besprechung wird die Göttinger Dissertation des Autors über das altägyptische Höhlenbuch stehen. Der Inhalt der zweibändigen Studie lässt sich wie folgt zusammenfassen.

Der Akzent des ersten Bandes ist auf Überlieferungsgeschichte und Textgrammatik gesetzt.

In der Einleitung werden die wichtigsten Präliminarien erläutert (1–13). Der ursprüngliche «Sitz im Leben» des Textes wird mit dem nächtlichen Sonnenkult in Verbindung gebracht (1). Die Verwendung in den Königsgräbern des Neuen Reiches wird als sekundär gesehen (2). Der Titel «Höhlenbuch» ist dem Werk erst in der Moderne verliehen worden (4). Die Struktur des Höhlenbuches wird in Wort und Bild veranschaulicht (5–8). In einem Überblick werden die früheren Übersetzungen aufgeführt (12–13).

Im zweiten Kapitel nimmt die Präsentation und detaillierte Beschreibung der Textzeugen breiteren Raum ein (15–50). Die Reihe fängt beim Osireion als ältester bekannter Quelle an und hört mit zwei Särgen der XXX. Dynastie auf.

Im dritten Kapitel werden überlieferungsgeschichtliche Aspekte abgehandelt (51–82). Die Textzeugen weisen relativ wenige Unterschiede auf (56). Das Grab Ramses’ IV. ist wohl nach einem eigenen Schema dekoriert worden (61), was entsprechend für die späten Sarkophage aus Saqqara gilt (65). Die einfache Abhängigkeit der Textzeugen voneinander lässt sich wohl de facto ausschließen (67). Der Autor geht von einem Autograph αo/ einer Urvorlage α aus, wovon sich die beiden Hauptstränge β (Osireion, Grab des Petamenophis, Sarg des Tjihorpto, Sarg des Petiese) und γ (ramessidische Königsgräber) abgespalten haben. Die Mehrheit der Textzeugen hat sich auf die Hieroglyphenschrift gestützt (76). Die weitertradierten Fehler deuten auf hieratische/kursiv-hieroglyphische Zeichen in den Vorlagen hin. Das aus den Beobachtungen davor resultierende Stemma wird entlang einer Zeitachse aufgetragen (79).

Das Zentrum des ersten Bandes stellt das vierte Kapitel über die Grammatik des Höhlenbuches dar (83–245). Die Ausführungen zeichnen sich durch eine sichere Beherrschung der Sekundärliteratur aus. Der Sinn der dabei benutzten «innovativen» Terminologie ist Rez. allerdings nicht ganz klar geworden. Die Sprache des Höhlen-buches hat dem klassischen Mittelägyptisch am nächsten gestanden (84). Die Bemerkungen zum Negationssystem haben eine besondere Hervorhebung verdient (177).

Im fünften Kapitel werden mehrere Kriterien (überlieferungsgeschichtlich / real-kundlich / geistesgeschichtlich / sprachgeschichtlich) für die Datierung des Werkes ermittelt (247–262). Das alleinige Auftreten des Sonnengottes könnte dabei überinterpretiert worden sein. Die Urvorlage soll im Neuen Reich entstanden oder neu überarbeitet worden sein (258). Das z. T. selektive Verhalten des Höhlenbuch-Mittelägyptisch hat im Ergebnis zu einer Art Kunstsprache geführt (260) Der Zeitraum wird noch enger auf die Spanne zwischen 1280 und 1210 v. Chr. festgelegt (262). Dass gerade so «exakte» Ansätze hypothetisch bleiben müssen, liegt in der Natur der Sache.

Im Anhang werden Tabellen zu verschiedenen Fragen wie z.B. Determinativ-gebrauch und Deviationstypen geliefert (322–345).

Die Seiten des zweiten Bandes sind v. a. mit der textkritischen Edition und Übersetzung gefüllt.

Im Hauptteil wird der Text des Höhlenbuches in Transkription und Übersetzung vorgestellt (1–473). Die abweichenden Lesarten werden im Apparat notiert. Die betont lockere Wiedergabe mancher Wörter, z.B. «ḥri̓» «Chef», «ʽnḫ» «quicklebendig», wirkt sich leicht störend aus.

In einem Register wird anhand ausgewählter Beispiele der Wortschatz des Höhlenbuches lexikographisch untersucht (475–527).

Der zweite Band wird durch eine Konkordanz beendet, die über Umfang und Erhaltungszustand der einzelnen Textzeugen Auskunft gibt (531–541).

Bd. I: S. 180: zu «i̓kb» als Schreibung für «i̓Зkb» «trauern» vgl. A. Kucharek, Alt¬¬ägyptische Totenliturgien, Band 4, Die Klagelieder von Isis und Nephthys in Texten der Griechisch-Römischen Zeit (Sup¬plemente zu den Schriften der Heidel-berger Akademie der Wissenschaften, Phi-lo¬sophisch-historische Klasse 22), Heidel-berg 2010, 176.

Bd. I: S. 180: zu «i̓kb» als Schreibung für «i̓Зkb» «trauern» vgl. A. Kucharek, Altägyptische Totenliturgien, Band 4, Die Klagelieder von Isis und Nephthys in Texten der Griechisch-Römischen Zeit (Supplemente zu den Schriften der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse 22), Heidel-berg 2010, 176.

S. 249ff: zur Datierung literarischer Texte anhand bestimmter Wörter vgl. jetzt S. D. Schweitzer, Dating Egyptian Literary Texts: Lexical Approaches, in: G. Mo-ers/K. Widmaier/A. Giewekemeyer/A. Lümers/R. Ernst (Ed.), Dating Egyptian Literary Texts (Lingua Aegyptia Studia Monographica 11), Hamburg 2013, 177–190.

S. 255: zu Archaismen in Unterweltbüchern vgl. K. Jansen-Winkeln, in: JEA, 98 (2012), 105.

Bd. II: S. 2: Die neue Lesung «dp» des alten «tp» ist keineswegs sicher, vgl. S. D. Schweitzer, in: ZÄS 138, 2 (2011), 133–142.

S. 17: zu «nśb» «(fürsorglich o. ä.) ablecken» vgl. auch Urk. IV, 238, 2.

S. 29: zu «ḫЗś.t» «Sockel» vgl. W. Spiegelberg, Die demotischen Papyri Loeb (Papyri der Universität München, Erstes Heft), München 1931, 34 (5) (anders: R. Jasnow, in: Enchoria, 19/20 [1992/1993], 220); H.-W. Fischer-Elfert, Die Vision von der Statue im Stein, Studien zum alt-ägyptischen Mundöffnungsritual (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 5), Heidelberg 1998, 77 n. 182.

S. 41: zu «nṯṯ» «fesseln» vgl. G. Takács, in: AuOr, 30 (2012), 81.

S. 117: Das «m» vor «ẖЗ.wt» «Leichnam» ist in der Übersetzung weggelassen!

S. 265: Das Wort «ʽbb» neben einer Schlangendarstellung könnte von der gleichen Wurzel wie der Schlangenname «ʽb» bei E. Jelínsková-Reymond, Les Inscriptions de la Statue Guérisseuse de Djed-Her-Le Sauveur (BdE 23), Le Caire 1956, 34, abgeleitet sein.S. 313: zu «ṯmЗ» «mächtig» vgl. J. Fr. Quack, in: OLZ, 97 (2002), 2, 170; das Wort «ṯmЗ.t» «Mutter» muss wohl als separate Wurzel abgegrenzt werden.

S. 315: zu «ʽbЗ» «geschickt (vom Mund)» vgl. J. Polotsky, Zu den Inschriften der 11. Dynastie (UGAÄ 11), Hildesheim 1964, 37; J. Assmann, in: LÄ V, 198 s. v. Reden und Schweigen

S. 361: Das Verb «i̓З» + «Laufende Beine» gehört u. U. zu «i̓З» «weit ausschreiten», das dann in prägnantem Sinne «einschreiten (gegen)» gebraucht sein könnte; zu «i̓З» «weit ausschreiten» vgl. D. Meeks, in: LingAeg, 13 (2005), 236.

S. 485: zu «Inneren Kausativen» vgl. W. Schenkel, in: SAK 27 (1999), 323ff.

S. 486: zur Schreibung «ḥw.t» für «wḥЗ.t» «Topf» vgl. Giza I, 230/259; Giza IV, 65.

S. 503: zu «ḫЗtrw» «Ichneumon» vgl. S. L. Lippert, Ein demotisches juristisches Lehrbuch, Untersuchungen zu Papyrus Berlin P 23757 rto (ÄgAb 66), Wiesbaden, 2004, 46; C. Peust, Egyptian Phonology, An Introduction to the Phonology of a dead Language (Monographien zur ägyptischen Sprache 2), Göttingen 1999, 129; E. Brunner-Traut, Spitzmaus und Ichneumon als Tiere des Sonnengottes (Nachrichten von der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse), Göttingen 1964, 147/150–153; J. Osing, Die No¬mi-nalbildung des Ägyptischen, Anmerkungen und Indices (SDAIK 3B), Mainz 1976, 365.

S. 514: zu «śś» «verbrennen» vgl. T. G. H. James, The Hekanakhte Papers and other early Middle Kingdom Documents, (PMMA 19), New York 1962, 60 (19).

S. 518: zum Zusammenhang zwischen «śṯp» «Flüssigkeit absondern» und «śtp» «auswählen» vgl. J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Anmerkungen und Indices (SDAIK 3B), Mainz 1976, 821.

S. 522: zu «ktw.t» «Kessel» vgl. D. Bidoli, Die Sprüche der Fangnetze in den altägyptischen Sargtexten (ADAIK 9), Glück-stadt 1976, 79e.

S. 524: zu «dЗs» «Bogensehne» vgl. J. Fr. Quack, in: OLZ, 97 (2002), 2, 170.

S. 525: zu «dfi̓» «Topf» vgl. H. Balcz, in: MDIK, 4 (1933), 35/36.

Zitierweise:
Stefan Bojowald: Rezension zu: Daniel A. Werning, Das Höhlenbuch, Textkritische Edition und Textgrammatik (=Göttinger Orientforschungen: IV. Reihe, Ägypten 48), 2 Bände, Wiesbaden, Harrassowitz, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 108, 2014, S. 487-489.

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